[box type=“info“ align=“aligncenter“ ]Im heutigen „GastSpiel“ bringt uns Michael Schinner die Welt der Tierfotografie ein wenig näher – in seinem Fall das Fotografen von Gämsen.[/box]
Wie bin ich zum Fotografieren gekommen?
Mit dem Fotografieren habe ich schon als Jugendlicher begonnen. Ich war mit meinen Eltern viel in der Natur, vor allem auf den Bergen und habe so die Möglichkeit genutzt, besondere Momente einzufangen. Mein fotografischer Schwerpunkt lag schon immer in der Naturfotografie (Tierfotografie, Makro, Landschaft) mit besonderem Augenmerk auf die Tierfotografie. Daher war es für mich ein logischer Schritt, dass ich mir 2007 neben meiner ersten DSLR Kamera gleich ein 80-400mm Objektiv anschaffte.
Warum Tierfotografie?
Warum mich gerade die Tierfotografie so reizt hängt damit zusammen, dass neben tollen Motiven noch viel schönere Erlebnisse mit den Fotostreifzügen verbunden sind! Prinzipiell fotografiere ich jedes Wildtier, das mir vor die Linse läuft/fliegt und von Jahr zu Jahr reizt es mich, ein neues Tier abzulichten. Doch am meisten Zeit verbringe ich bei den Gämsen. Dies hängt damit zusammen, dass für mich Gämsen das repräsentative Tier für die Tiroler Bergwelt sind und Gämsen sind alles andere als langweilig!!
[singlepic id=4945 w=320 h=240 float=center]
Verhalten der Gämsen: Was gibt es zu beobachten?
So mancher Bergsteiger denkt sich vielleicht, dass Gämsen die meiste Zeit äsen (fressen), dann gemütlich wo hin spazieren, um sich niederzulegen und wiederzukauen. Doch da gibt es noch viel mehr:
Im Frühling/Frühsommer kann man beobachten wie Gämsen Schneefelder aufsuchen, um sich abzukühlen. Mit etwas Glück sieht man ein paar Gämsen wie sie zum Spaß das Schneefeld hinunter rutschen. Doch Schneefelder bieten auch im Herbst Spaß für Jung und Alt. So konnte ich letzten Herbst festhalten wie zwei Jahrlinge ein Schneefeld bergab tollten.
[singlepic id=4955 w=320 h=240 float=center]
Ende Mai, Anfang Juni erblicken die Kitze das Tageslicht. Am Anfang ziehen sich die Rudel mit ihren Jungen meist an entlegene Orte zurück. Doch im Sommer bzw. im frühen Herbst kann man mit etwas Geduld beobachten wie die Kitze gesäugt werden.
[singlepic id=4954 w=320 h=240 float=center]
Für mich die interessanteste Zeit ist der November, wenn die Gamsbrunft im Gange ist. Nun wird es auch leichter nahe an Gämsen heran zu kommen, da sie andere Dinge im Kopf haben. Böcke beginnen sich auf gut einsehbare Vorsprünge/Geländekuppen/Steine zu stellen („das sich Präsentieren“) und geben lustige Laute („Blädern“) von sich, wenn sie durch die Gegend ziehen. Dabei setzen sie mit ihren Brunftfeigen, welche sich am Kopf hinter den Krucken befinden, Markierungen an Latschen und anderen Pflanzen.
[singlepic id=4948 w=320 h=240 float=center]
Die stärksten Böcke halten sich ein Brunftrudel und treiben Geißen, die sich vom Rudel entfernen wollen wieder zum Rudel zurück. Manchmal reicht es hierfür aus, dass der Bock der Geiß droht indem er sein Haupt senkt und seine Krucken präsentiert. Wenn sich die Geiß trotzdem entfernen will schneidet ihr der Bock den Weg ab und jagt sie zu seinen anderen Geißen zurück. Sehr spektakulär wird es, wenn sich ein in etwa gleich starker Bock dem Rudel eines anderen Bockes nähert, dann beginnt eine wilde Hetzjagd.
[singlepic id=4947 w=320 h=240 float=center]
Zur Brunft gehört natürlich dazu, dass sich der Bock werbend mit erhobenem Haupt und ausgestreckter Zunge den Geißen nähert. Dann wird es für den Fotografen wieder spannend. Es kann sein, dass sich die Geiß nach relativ kurzer Zeit beschlagen lässt oder vor dem Bock zuerst einmal eine Stunde her trollt. Wenn die Geiß nicht brunftig ist, bemüht sich der Bock jedoch vergebens.
Dies war nur ein kurzer Einblick, was man so beobachten kann. Natürlich kann man das ganze Jahr das Verhalten zwischen den Gämsen beobachten z.B. wie eine Geiß mit ihrem Kitz Wanderer beobachtet oder wie sich Gämsen mühelos durch Felswände bewegen.
Herangehensweise/Tagesablauf
Wenn ich ein Tier fotografieren möchte, informiere ich mich zuerst über das Tier (Lebensraum, Verhalten, …). Als nächstes recherchiere ich, wo das Tier vorkommt und ob es Gebiete gibt, in denen das Tier den Menschen/Bergsteiger gewohnt ist und die Fluchtdistanz vielleicht etwas geringer ist. Natürlich entfallen diese Punkte, wenn man das Tier schon öfters fotografiert hat und weiß wo man es findet!
Neben der Fotoausrüstung kommt genug Jause und vor allem Wechselkleidung und warme Kleidung in den Rucksack.
Um sich Gämsen zu nähern wähle ich drei Vorgehensweisen, die nicht unterschiedlicher sein könnten:
- „sich sehen lassen“ (bevorzugte Variante): Wenn ich die Gämse bzw. das Rudel entdeckt habe (gesehen, gehört, gerochen) verstaue ich meine Wanderstöcke im Rucksack und packe die Kamera aus. Das mit dem Riechen geht besonders gut während der Brunft! Dann nähere ich mich dem Rudel bis sie mich das erste Mal sehen und bleibe dann solange stehen, bis sie das Interesse an mir verlieren. Das kann zwischen einigen Sekunden und einigen Minuten dauern und im schlimmsten Fall flüchten sie. Die Zeit nutze ich oft, um mich umzuziehen. Wenn es irgendwie möglich ist, nähere ich mich auf einem Wandersteig, da Gämsen Menschen auf Steigen gewohnt sind! Ich nähere mich solange bis ich merke, dass sie leicht unruhig werden. Dann bleibe ich wieder stehen und bewege mich dabei auch ganz normal. Es soll ja kein Geheimnis sein, dass ich ein harmloser Wanderer bin. Jetzt warte ich wieder bis sie sich beruhigt haben. Dies dauert oft etwas länger, daher bietet es sich an zu jausnen. In manchen Gebieten, wenn das Rudel günstig steht bzw. man ein weniger scheues Exemplar antrifft kommt man gleich auf eine brauchbare Fotodistanz. Wenn man sich diese Zeit für die Annäherung nimmt wird man mit etwas Glück damit belohnt, dass das Rudel einen mehr oder weniger ignoriert und kann so das natürliche Verhalten der Gämsen aus nächster Nähe fotografieren und beobachten. So ist es mir für ein Motiv möglich etwas um das Rudel bzw. die Gämse zu gehen, ohne dass ich mich verstecken muss.
[singlepic id=4951 w=320 h=240 float=center]
- „anpirschen“: Ich denke, hier muss ich nicht viel dazu sagen außer, dass Gämsen einen sehr ausgeprägten Geruchssinn haben und man sich daher möglichst gegen die Windrichtung anpirschen sollte. Teilweise hilft es geduckt zu gehen und sich nicht zu bewegen, wenn man in ihr Blickfeld kommt.
- Eine dritte Möglichkeit, die auch bei anderen Tieren gut funktioniert: lass das Tier zu dir kommen!! Oft lassen sich die Wege der Tiere erahnen. So wird ein Gamsbock während der Brunft, der schon in Richtung eines Rudels unterwegs ist, seinen Weg mehr oder weniger direkt zu dem Rudel fortsetzen. Dann bietet es sich an, eine Stelle mit gutem Licht und Motiv auszusuchen und zu warten bis der Bock zu einem kommt.
In der Literatur ist man sich nicht einig ob Gämsen besser sehen oder riechen. Aus meiner Erfahrung würde ich sagen, dass der Geruchssinn um einiges besser entwickelt ist. Beim Nahen eines Hundes habe ich Gämsen schon flüchten gesehen, bevor sie ihn sehen konnten bzw. bevor er in ihrer Nähe war.
Tipps/Erfahrungen (hauptsächlich für das Fotografieren von Gämsen)
- Bergtour nach dem Angebot an Tieren planen: Wer z.B. einmal Steinböcke fotografieren möchte sollte sich einfach einen Berg aussuchen, wo es eine Steinbockpopulation gibt. Steinböcke sind recht standorttreu und nicht sehr scheu. Auch Gamsrudel sind je nach Jahreszeit und Witterung an ihren angestammten Plätzen wieder zu finden.
- Temperatur beachten: Bei warmen Temperaturen sind Gämsen weniger aktiv und liegen oft im Schatten oder zwischen den Latschen (hier helfen dann die kühleren Tageszeiten).
- Wetter beachten: Bei starkem Wind sind Gämsen scheuer und ziehen sich oft zurück.
- genug Kleidung mitnehmen: Es kann recht kalt werden, wenn man länger wo sitzt.
- früh genug umziehen
- geduldig annähern
- keine Wanderstöcke in der Nähe der Gämsen, da das Geräusch viele Gämsen beunruhigt
- kein Hund
- Solange wie möglich am Steig bleiben. Am Steig kann man sich oft um einiges schneller und erfolgreicher annähern.
- gemütliches ruhiges gehen (nicht laufen, nicht schleichen)
- wenig Blickkontakt beim Annähern
- Wenn man weglos unterwegs ist sollte man sich nicht direkt nähern, sondern in einem Bogen knapp an den Gämsen vorbei bewegen.
- Beim Anpirschen gegen die Windrichtung anpirschen
- Ersatzakku und Speicherkarte in Hosentasche stecken
- Natürliche Hindernisse z.B. ein Graben zwischen Gämse und Fotograf wirken beruhigend.
- Oft zahlt es sich aus, länger bei einem Rudel zu verweilen und zu warten bis etwas passiert als einem Motiv hinterher zu jagen.
- Aufpassen, dass man kein Tier übersieht und aufschreckt. Wenn eine Gämse unruhig wird, wird das ganze Rudel unruhig. Daher sind auch kleine Rudel leichter zu fotografieren als große.
- Wenn man merkt, dass Gämsen unruhig werden egal wie ruhig man es angeht, dann sollte man sie in Ruhe lassen, da man nur den Tieren schadet und auch kein gutes Foto bekommen wird!!!
Impressionen
[nggallery id=297]
Weitere Bilder gibt es auf seiner Homepage zu sehen