Heute möchte ich Euch den Fotojournalisten Flo Smith vorstellen. Flo ist sozusagen kein Schön-Wetter-Bunt-Landschaftsfotograf, sein Spezialgebiet liegt in der Dokumentarfotografie in den Bereichen Armut, Hunger, Ausbeutung, Flüchtlingsbewegungen und sozial/politische Bewegungen. Er hat sich vor allem auf das Gebiet um den Mittlere/Nahen Osten spezialisiert.
Seine Werke publiziert er regelmäßig in bekannten Medien wie The Guardian, Wall Street Journal, Time Magazine oder Huffington Post. Des weiteren läuft aktuell seine Fotoaustellung „Material Evidence“ in Moskau mit weiteren Stops in Berlin, Brüssel und New York.
Neben der Dokumentarfotografie beschäftigt sich Flo auch mit Alpinsport-Fotografie, Landscape und Musikfotografie.
- ©Franz-Stefan Gady (Khazir-Frontline Iraq)
Du fotografierst unter anderem in Krisengebieten.
Wie bist du auf diese „gefährliche“ Art der Fotografie gekommen?
Eigentlich ist der Gedanke schon in meiner Jugend entstanden, nur war mir damals auch bewusst, das man dafür etwas mehr Lebenserfahrung und Wissen braucht als ich es damals hatte 🙂
Das Thema ging dann im laufe der Jahre auch etwas unter und ich fotografierte über 13 Jahre analog – Landscape, mal mehr, mal weniger, aber eigentlich immer ohne jegliche Intention das irgendwann beruflich zu machen.
Vor ca. 8 Jahren rutschte ich dann durch Zufall in die Sportfotografie… Mit Candide Thovex und den Pirates vor der Linse, als meine ersten zwei „Gig’s“ hatte ich eine gute Startposition für einen Einstieg in die professionelle Fotografie und überlegte mir daher die Sportfotografie zu nutzen um mir erstens den fotografischen Feinschliff zu verpassen und mir zweitens die Handwerklichen Skills so zu verinnerlichen, das ich meine Kamera im Schlaf bedienen kann. Währenddessen nutze ich die Zeit natürlich auch damit mich eingehend mit der Materie „Konflikt-Journalismus“ auseinander zu setzen und fand meinen fotografischen Einstieg in den Journalismus parallel zur Sportfotografie mit Reportagen über Demo’s, Ausschreitungen oder Sozialreportagen in Europa.
Nach 5 Jahren hängte ich das Thema Sport total an den Nagel und wechselte in den reinen Foto-Journalismus. Über Griechenland und die Türkei arbeitete ich mich dann im laufe der Zeit in Richtung Irak vor, das seit 2 Jahren, mit der gesamten Kurdischen Region mein Spezielgebiet und sozusagen meine zweite Heimat geworden ist.
Gewöhnt man sich an die Gefahr?
Es ist natürlich ein Unterschied ob man das erste mal in ein Krisengebiet fährt oder das zwanzigste mal! An die Gefahr gewöhnt in dem Sinn hab ich mich noch nicht und sollte man sich meiner Meinung nach auch nicht.
Grundlegend ist es wichtig dass man den Umständen in Konfliktgebieten nicht fremd ist und sich somit besser auf die Fotografie konzentrieren kann bzw in Kombination mit der Erfahrung Gefahrensituationen besser abschätzen kann.
Routine allerdings darf sich in diesen Beruf nie einschleichen! Denn aufgrund derer und der einhergehenden Nachlässigkeit schleichen sich Fehler ein, die in solchen Regionen meist tödlich enden.
So gibt es im Journalismus Kollegium den bekannten Spruch, das es entweder jene trifft die zum ersten mal dabei sind oder welche die schon zu lange dabei sind, weil diese denken das sie unzerstörbar sind.
Wenn Du in so einem Krisengebiet bist, wie arbeitest Du da eigentlich?
Hast Du bestimmte Regeln, Vorgaben und Vorsichtsmaßnahmen?
Vorbereitung ist alles! Grundlegend: je besser man die Region kennt in der man tätig ist, je besser man mit der Politik dieser Region vertraut ist, die aktuellen Situation und die der Nachbarländer kennt, je besser man die Kultur und Geschichte des Gebietes kennt,
umso sicherer macht man die ganze Sache. Ein weiterer wichtiger Punkt ist ein gutes Netzwerk zu haben, egal ob zu Fixern, Übersetzern, Organisationen, Behörden oder im Kollegium.
Speziell der Austausch mit Kollegen ist enorm wichtig, sowie auch die Zusammenarbeit eine grundlegende Rolle spielt. Ein weiterer sehr wichtiger Punkt bevor man überhaupt in Konfliktgebiete fährt, ist ein Notfallmedizinisches Training (z.B. RISC Training – http://risctraining.org) das auf die Arbeit eines Frontline/Konfliktjournalisten zugeschnitten ist bzw ein HET – Hostile Environment Training. Bei der Zusammenarbeit mit Kollegen in Konfliktgebieten verlassen sich diese darauf, das ich ihnen professionelle Hilfe leisten kann und in der Situation einen entsprechend kühlen Kopf bewahre, so wie ich das auch von ihnen erwarte!
Neben dieser Grundlagen ist eine zuverlässige Schutzausrüstung wie ein FlakJacket (Schussfeste Weste), ein ballistischer Helm, ein Satelittentracker oder der für Konfliktgebiete spezifizierten Erste-Hilfe Ausrüstung mindestens genauso wichtig. „On the ground“ hängen Vorsichtsmaßnahmen, Regeln oder Vorgaben natürlich von der Situation ab und kann auch so nicht in eine Standardregel gepackt werden, aber eines sei gesagt, „stay calm and be attentive!“
Wie verarbeitest du das, was Du an Leid und Gewalt gesehen hast?
In Krisengebieten ist es natürlich so dass man Dinge erfährt und sieht die so fernab davon liegen, was wir in Mitteleuropa als normal erachten. Und nicht nur die augenscheinlichen Gräuel die Konflikte verursachen sondern vor allem die Nachbeben
und Folgen der Kampfhandlungen – Flüchtlingswellen, Hunger und Verzweiflung – verlangen unserem Sinn für Menschlichkeit viel ab. PTSD, also Posttraumatische Belastungsstörung, ist eine dieser, viel zu oft unterschätzten, Folgen die auch Journalisten in immer größerem Maße betrifft. Gerade die Kollegen bzw. der Freundeskreis sind mir eine wichtige Hilfe um Erlebtes aufzuarbeiten. Und wenn ich unserer verwöhnten westlichen Gesellschaft mit ihren Luxusproblemen überdrüssig bin, finde ich meine letzte Kraft oft in der Natur.
Gab es schon mal (oder öfters) brenzlige Situationen?
Natürlich ist man in Konfliktgebieten immer wieder in brenzligen Situationen und egal ob man an die Frontline fährt oder in ein Flüchtlingslager ausserhalb der Stadt, man bewegt sich zum Großteil in Gebieten in dem man immer mit IED’s,
Selbstmordattentaten, Sniper Attacken oder Entführungen rechnen muss. Auch abgesehen davon dass einem jederzeit etwas um die Ohren fliegen kann, sich dort aufzuhalten birgt auch weniger martialischen Risiken wie etwa die Tatsache dass es durchaus passieren kann dass man am nächsten Checkpoint mit dem falschen Akkreditierungspapier in der Hand und der Kalashnikov im Nacken am Boden liegt oder die Staatsmacht mit allen möglichen Mitteln versucht die Journalistische Freiheit zu unterdrücken.
Weiters leben wir in einer Zeit in der man als Journalist immer mehr zum Ziel von Radikalen Gruppierungen wird. Alleine 2014 wurden 66 Journalisten, sowie 16 Bürgerjournalisten und 11 Medienmitarbeiter getötet!
Ein starker Trend verzeichnet sich in den letzten Jahren in der Entführung von Journalisten,die 2014 bei 119 entführten Personen liegt, was 37% mehr ist als im Vorjahr.
Natürlich fotografierst Du nicht nur in Krisengebieten, auch in deiner Heimat Tirol bist du öfters mit deiner Kamera unterwegs. Wo sind hier deine „Lieblingsgebiete“?
Eigentlich muss ich sagen das ich privat nicht viel mit der Kamera unterwegs bin,da die Zeit die ich in Tirol verbringe zum größten Teil mit Büroarbeit und der Planung draufgeht.Hin und wieder treibt es mich aber doch raus und obwohl ich mich der Sportfotografie eigentlich entsagt habe, bin ich vor ca. einem Jahr wieder ins Sportbusiness zurückgekehrt, was mich jetzt wieder in hochalpine Gefilde verschlägt, wo ich mich als passionierter Kletterer sehr zuhause fühle. Jedoch hab ich meinen Zugang zum Sport, im Vergleich zu meiner vorigen Herangehensweise, neu definiert.
Ich will nicht nur für den Sport begeistern, sondern vielmehr mit kritischen Sport/Sozialreportagen und der modernen Bildsprache die Sportbranche auch für soziale Themen sensibilisieren.
Für mich gibt es keinen besseren Ausgleich zur strapaziösen Arbeit in Krisengebieten, der mich zugleich auch fotografisch wieder regeneriert und für den nächsten Einsatz vorbereitet.
Mit welcher Cam bist du unterwegs und wie ist dein Workflow beim Bearbeiten der Bilder?
Die Hauptlast meiner Arbeit tragen meine zwei digitalen Canons (5D Mk2), jedoch fotografiere ich nach wie vor analog und dafür hab ich noch die Canon EOS 3 und eine Canon AE-1 in der Kameratasche.
Durch meinen, von Film geprägten, Einstieg in die Fotografie gehe ich auch heute noch an das Handwerkliche derart bedacht heran wie es heute im digitalen Zeitalter kaum mehr gebräuchlich ist. Mein bewusster Umgang umfasst eine Zurückhaltung des Triggerfingers, eine No-Crop-Policy und ein auf Möglichkeiten der analogen Dunkelkammer beschränkter Workflow in Adobe’s Lightroom. Auch um meinem photojournalistischen Ethos gerechtzuwerden lehne ich jede Form von Bildmanipulationen (Retouching, unrealistisches HDR) wie sie in Photoshop möglich sind ab.
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